Das reformierte Pfarramt
Ich will hier zuerst einen Werbespot für diesen spannenden Beruf präsentieren – denn neuerdings wird wegen Pfarrmangel bereits in Kinos für das Theologiestudium geworben. Es ist äusserlich derzeit ein «sicherer Job» mit guten Anstellungsbedingungen und noch immer mit einem gewissen «Prestige» verbunden. Der Mangel an einheimischen Geistlichen ist offensichtlich und wird zunehmen. Aber das sind nur Äusserlichkeiten. Innerlich gehört sicher eine Art Berufung dazu.
Die Anforderungen für das Studium sind allerdings nicht zu unterschätzen. Noch immer sind für das Theologiestudium die Sprachen Hebräisch, Griechisch und Lateinisch zu erlernen, obwohl nur die wenigsten Pfarrerpersonen später auch mit Originaltexten arbeiten. Wer aber Spass an Sprachen hat und die literarischen Schätze im Original auskosten will, kann von diesem Aufwand viel profitieren. Expertinnen und Experten in Sachen Schriftauslegung werden in Zukunft gefragt sein, denn wir gehen, wie ich meine, einem religiösen Zeitalter entgegen.
Ein Urberuf: Alle Kulturen und Religionen kennen auf ihre Art diese religiöse Funktion und Verantwortlichkeit für den Zusammenklang der irdischen und überirdischen Verhältnisse, sei es für den Einzelnen oder der Gemeinschaft. Vor Jahrtausenden war die Aufgabe erblich und wurde in der Familie weiter tradiert, wie im alten Israel oder heute noch im Hinduismus. Der Buddhismus, aber auch das Christentum und der Islam, sieht die Leitung der Gläubigen durch Menschen vor, die sich selber dazu berufen finden. Sie haben gewisse Schulungen durchzumachen und müssen vom Gremium der Glaubensgemeinschaft zu dieser Arbeit beglaubigt, ordiniert und eingesetzt werden.
Das reformierte Pfarramt: Das reformierte Pfarramt in der Schweiz hat, was die Ausbildung betrifft, sich bis heute in staatlich-universitären Ausbildungsgängen halten können. Die Prüfungen sind kürzlich ganz der Universität übergeben worden. Die Ordination ist Sache der Kirche, die Pfarrwahl obliegt der Gemeinde, dem Kirchenvolk, und die Installation wird von den Dekanen, den lokalen Vertretern der Kirchenleitung, übernommen.
Das Gemeindepfarramt steht primär im Dienst der Verkündigung durch Schriftauslegung, Predigt und Lehre. Der Talar, das liturgische Gewand des reformierten Pfarrers, ist kein kultisches Gewand, es war das Kleid der Gelehrten an der Universität. So ist, wenigstens in der Tradition, der Gottesdienst die Mitte des Gemeindelebens. Die St.Galler Kirchenordnung spricht in diesem Zusammenhang von der «feiernden Gemeinde». Dazu gehören auch die sogenannten Kasualien, die Taufe, das Abendmahl, Hochzeiten und Beerdigungen, wie auch der «Jugendgottesdienst». Weiter spricht die Kirchenordnung von der «lernenden Gemeinde». Der Religionsunterricht an den Schulen wird in der Regel von Katechetinnen oder Diakonen übernommen, der Pfarrperson obliegt der Konfirmandenunterricht, je nach Ort und Interesse wird auch Erwachsenenbildung erwartet. Drittens spricht die Kircheordnung von der «dienenden Gemeinde», die Diakonie, die praktische Hilfe, vor allem die Seelsorge gehört dazu. In allen Bereichen gibt es inzwischen auch Spezialisierungen, so in den kantonalkirchlichen Arbeitsstellen für Diakonie, Erwachsenenbildung, usw., dann Unterrichtende an den Kantonsschulen oder Seelsorgetätigkeit in den verschiedenen Spitälern.
Das allgemeine Priestertum: Alle diese Aufgaben und Funktionen sind aber in der reformierten Kirche nicht exkulsiv dem Pfarramt zugeschrieben. «Jedes Gemeindeglied ist im Sinne des allgemeinen Priestertums aufgerufen, mit Rat, Tat und Fürbitte an der gegenseitigen Verantwortung mitzutragen», ist in der St.Galler Kirchenordnung zu lesen.
Ich selber übe mein Pfarramt als Redaktor des kantonalen Kirchenboten aus, von 1989 bis 1995 war ich Gemeindepfarrer in Bütschwil-Mosnang.
Über diese Zeit habe ich im Kapitel «Lebensstationen» einen Text geschrieben (siehe >>> pfarrmat), analog auch zu meiner Tätigkeit als Redaktor des Kirchenboten, siehe >>> st.gallen (bisher nur in der Kurzbiographie erwähnt).
Über die Anstellungsbedingungen und praktische Fragen rund um das Pfarramt hat der Schweizerische Pfarrverein einen Ratgeber verfasst.
(11.6.07)
|