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Aus der Praxis
Sept. 06: Franziska Schildknecht
Juni 07: Milaya Lodron
Juli 07: Franz Karl Prassl
Aug. 07 Schamane aus Nepal
Jan. 08 Klangtherapie
März 08: Sabina Gränicher
Mai 08 Klangfestival 2008
Juni 08: Trommelbaukurs
Singen mit Lena
Eduardo Nascimento
Singen mit Ficht Tanner
 
     

Singen mit Lena

Lena hat auch Singstunden in Improvisation bei «Hop O'my Thumb»-Sängerin Franziska Schildknecht besucht. Wie Franziska nach Amerika ging, haben Lena und ich entschieden, einander wöchentlich eine Singstunde zu geben, jeweils am Donnerstag. Das tun wir nun seit einigen Monaten. Schon lange will ich diese Singstunden dokumentieren, vor allem, was deren methodische Ansätze betrifft. Unser Singen am 1.11. 2007 war mir Anlass, nun endlich mit dem «Protokoll» zu beginnen. Frühere Stunden habe ich teils in meinem Tagebuch festgehalten. Bei Gelegenheit werde ich hier einiges nachführen. Die neusten Berichte kommen oben zu stehen, ältere rutschen nach hinten. Bilder lassen sich durch einen Klick auf das Bild vergrössern.

Sonntag, 28. Dezember 2008:

Singen vor der Kamera

Nach einer fast dreimonatigen Pause singen Lena und ich wieder einmal. Sie lebt inzwischen in Zürich, wo sie eine Ausbildung in «Bewegungstheater» macht. Ich habe dort ihre erste Aufführung gesehen. Ein vielseitiges Programm mit Akrobatik, Tanz, Pantomime, Gesang, usw.
Ich leite die Meditation an: Wir nehmen Kontakt auf zur Erde, in welcher der Urton schaffend lebt. Wir wenden uns zum Himmel, wo die schöpferischen Kräfte gründen. Zwischen der Erde, die den Urton spiegelt, und dem Himmel, in dem der Urton gründet, leben wir im Atem, bezogen auf beide Teile, sie verbindend in Dankbarkeit, die Urmelodie weiterführend in Freude. Lena sucht diesen Ton in sich und singt ihn ausatmend, ich singe dazu (1.Teil). Später singt sie und ich gebe den Ton, aber bereits rhythmisiert und freier (Teil 2). Es folgt ein Singen mit dem Rhythmus von Trommel und Rassel (3. Teil) und ein längeres Singen mit dem natürlichen Lautsprecher, der grossen Trommel (Teil 4). Erstmals habe ich Teile davon gefilmt und diese zu einem 10-minütigen Film geschnitten. Er war hier zugänglich, aber weil er für das WWW doch etwas zu intim ist, habe ich die Veröffentlichung im September 2009 wieder zurückgenommen. Vielleicht kann ich später andere Ausschnitte zeigen.

 

Mittwoch,17. September 2008:

Körpermeditation, Tonleiter im Menschen, rhytmischer Gesang

Nach einer langen Sommerpause singen wir endlich wieder. Lena leitet die Stunde - so hat die Münze entschieden, die wir geworfen haben. Wir beginnen mit der liegenden Körpermeditation, wo die reinigende Atemkraft in alle Teile des Körpers geführt wird, beginnend mit den Zehen hinauf bis zum Kopf. Lena verbindet diese Präsenz des Bewusstseins an den jeweiligen Körperteilen mit Bewegungen. Die Zehen, die Füsse usw. geraten in eine Bewegung, wie sie dem Bewusstseinszustand der jeweiligen Glieder entspricht. Diese zarten Bewegungen wirken sich auf den ganzen Körper aus. Das wollen wir spüren mit der Vorstellung, dass die Bewegungen ein Sandbild am Boden erzeugen. Es ist erstaunlich, wie solche Übungen die musikalische Sensibilität erhöhen. Auf dem Hintergrund der Übungen ist es leicht, die einzelnen Körperteile singend zum Klingen zu bringen. Im Nachgespräch bemerkt Lena, wie viel therapeutische Elemente hier zusammenkommen: von Feldenkreis über Rhythmik bis zu Atemtherapie.
Dabei mache ich eine interessant Erfahrung: Wenn die Füsse ein Grundton sind, so erreiche ich beim Becken die Quinte, welche dann recht schnell im Kopf zur Oktave aufsteigt. Ich spüre deutlich die fünf unteren Töne und dann die drei oberen Töne. Diese Tonfolge fühlt sich im Körper sinnvoll an. Gehe ich über die Oktave hinaus, so trägt mich das Körperbewusstsein über den Kopf hinaus in den oberen Umkreis. So haben wir in uns eine Tonleiter, welche sich nach unten und nach oben weiter verfolgen lässt und vielleicht in übersinnliche und untersinnliche Sphären führen.
Bereichert mit dieser Meditation und Tonleiter kann ich dann aufsitzen. Lena hat meinen Grundton in der Schrutibox aufgenommen und dazu kann ich frei singen durch alle Körpergegenden hindurch. Es entsteht ein ganz zartes Singen, unspektakulär, aber doch intensiv durchlebt.
Ich hole dann meinen Grundton A als Xylophon und die grosse Trommel. Lena singt zuerst alleine zu dem rhythmisch geschlagenen Xylophon, später singen wir zusammen in Wechselgesängen Sie singt in die grosse Trommel und schlägt dabei auch einen Rhythmus auf dem Holz der Trommel. Am Schluss finden wir zu einem recht heiteren und fröhlichen Singen - wobei die Aufnahme ein Abklatsch ist, von dem, was vorher möglich wurde. Wenigstens ist Hündin Tara in ihrer Musikalität zu sehen: >>> eine Aufnahme davon.
Beim anschliessenden Hundespaziergang singe ich im Wald und merke, wie diese Übungen alle Sinne öffnen. Ich sehe den Wald verklärt, bin heiter und singe mit vielen neuen Erfindungen. Vor allem bin ich fasziniert von den Sprachspielereien. Ich imitiere nordische Sprachen, dann türkisch und persisch, weniger gut klappt ein Fantasieenglisch. Daheim mache ich eine freie Gesangsprobe vor der Kamera, die aber auch zu schwer ist, um auf die Website zu laden. – Der heutige Tag hat mir gezeigt, dass man sich mit etwas Übung in das Element der Musik, des Singens, hineinbegeben kann. Dann wird man von der Musik ergriffen und sie trägt einem in heiterer Weise ins Leben, animiert zum Singen und zu geselliger Freundlichkeit. Erstmals habe ich heute auf dem Spaziergang einen älteren Mann angesprochen, den ich seit langem kennen lernen will. Und er hat mich eingeladen, ihn und seine vielen Tiere zu besuchen.

 

Donnerstag, 8. Mai 2008:

Die Trommel als Lautsprecher

Heute hat Lena die Stunde angeleitet. Sie fragt mich, wo meine Bedürfnisse liegen. Ich sei offen, sage ich. Sie würde gerne wieder mit der grossen Trommel arbeiten.
So legen wir uns auf unsere Matten, sie führt die Meditation an. Die Auflageflächen sollen wir empfinden wir auf Sand, da gebe es Eindrücke. Ich sehe dieses Sandbild sehr klar, vielleicht weil ich viel mit Drucktechniken gearbeitet habe. Vor, oder besser in mir, entsteht ein schönes Sandbild, das fast metaphysischen Charakter hat, das etwas andeutete vom Geheimnis des Mikrokosmos. Jede Auflagefläche hat mit ihrer Tiefe und Breite etwas über den Menschen zu erzählen, auch über mich selber.

trommel

Diese Auflageflächen werden dann zum Organ, mit der Erde in Kontakt zu treten, Wurzeln zu schlagen und Geborgenheit zu erfühlen. Auch die Offenheit zum Himmel, zur oberen Welt, wird bewusst gemacht. Dann folgt eine Läuterung aller Körperteile und Auflageflächen: Mit dem Atem weggeben, was uns hindert, und mit dem Atem aufnehmen, was uns Kraft gibt, in alle Teile des Körpers.
Lena fordert mich auf, den Ton im Ausatmen zu singen, der zu Situation und Stimmung passt. Ich höre ihn sogeich, warte aber, bis sie ihren Ton gibt. Meiner ist in einer Quart zu ihrem Ton. So spielen wir lange mit dieser Quart. Sie schlägt vor, diese Stimmung auch lautmalerisch auszukosten, damit zu spielen. So variieren wir den Ton, nicht in der Höhe, aber in der Färbung und Entstehung. Da ist vieles möglich.
Irgendwann sagt sie, dass ich nun dazu meine Melodien finden könne, sie bleibe auf ihrem Ton. Wir sitzen auf und ich bleibe in dem Experimentieren mit der Stimme, mit vielen Möglichkeiten, Laute zu machen. Wie ich dann in Rhythmen komme, rolle ich die grosse Trommel zwischen uns hin. Beide spielen wir etwas in gegenseitiger Zwiesprache, mit Stimme und Lauten begleitet.
Irgendwann entdeckt Lena, dass die Stimme verstärkt wird, wenn man nahe an der Trommel singt. Ich ahme das nach und mache grosse Entdeckungen. Es ist enorm, wie die Trommel den Gesang verstärkt. So singen wir zeitweise beide ganz nahe an der Haut der Trommel, bis sie mir irgendwann das Feld überlässt. Sie singt ihren Ton oder trommelt nur. Ich kann mich für Momente ganz dem Hall dieses Instrumentes hingeben. Zuletzt singe in die Mitte des Kreises der Trommelhaut, halb liegend, und überbiete mich in orientalisch anmutenden lauten Gesängen. Es ist die Intensität des Gesangs, bei der ich mich selber frage, ob das noch gesund oder heil oder zeitgemässe Spiritualität sei. Doch ich bin hell wach dabei, die Stimme und die Sehnsucht leitet mich an.
Danach entschuldige ich mich fast, dass es so persisch geklungen hat, ich höre eben oft Radio Darvisch über Internet. Doch sie beruhigt mich, es habe ihr gefallen.
Wir hatten in den letzten Stunden oft gedacht, dass wir gewisse Passagen aufnehmen sollten, auch um im Nachhinein zu begutachten, was da geschehen ist. Heute stellt ich mein kleines altes Tonband auf. Ev. werde ich irgendwann eine Passage der heutigen Stunde hier präsentieren.

 

Donnerstag, 24. April 2008:

Mit der Trommel auf Reisen

Ich leite heute die «Lektion» an, mache mir Gedanken auf dem Spaziergang mit Hündin Tara: Ich will die Analogie von Mikro- und Makrokosmos thematisieren, so wie ich derzeit bei «Intermediarius» darüber lese. Die liegende Meditation geht darauf hinaus, von den Auflageflächen ausgehend den Ort, das Haus, das Gebiet, die Stadt, das Land, die Erde ... zu empfinden: die Erde, die um die Sonne kreist, sich um sich dreht - zur Sonne hin Planetenbahnen, von der Sonne weg weitere Bahnen, sieben dynamische Kräfte. Dann das All, die Gesamtheit des Raums, in zwölf Einheiten. In dieser Ordnung des sieben Bewegungen und der zwölf Zustände ist ein Klang, eine Harmonie, die auch in unserm Körper waltet und alles durchdringt.
Im Ausatmen geben wir weg, was dieser Harmonie widerspricht, im Einatmen nehmen wir auf, was in dieser Harmonie klingt und ordnet. ... Wenn wir all unsere Glieder und Auflageflächen mit dieser Energie des Kosmos durchfühlt haben, atmen wir diese Harmonie auch aus, geben das Geschenk weiter. Es klingt mit dem Ausatmen, mit der Stimme, dem Singen.
Ich schlage sachte die grosse Trommel an und fordere Lena auf, dazu aus der Stimmung des Gleichklangs mit dem Makrokosmos zu singen. Sie bringt schöne Lautmalereien, rhythmische Sprachspiele.
Dann fordere ich sie auf zum sitzen. Wir planen einen zweiten Durchgang: Mit der Schrutibox, dann ohne Instrumente, schliesslich soll sie die Trommel schlagen. Eigentlich kommen wir erst im dritten Teil so richtig in Fahrt. Sie schlägt die Trommel mit grosse Einfühlung. Ich wähle die andere Seite als Antwort, als Begleitung. So kommen wir in rhythmische Bögen. Es pulsiert durch uns hindurch. Rhythmen sind eine Stärke von Lena. Wir vergessen uns, schauen uns an, es pulsiert, lebt. Das ist der Höhepunkt des Treffens - ohne Gesang. Doch ich singe dann auch zu unsern Rhythmen, recht laut und ekstatisch. Trommel und Gesang ist ein ekstatisches Urelement. Das werde ich mir erneut bewusst.

Dann bringe ich Lena wie jedes Mal zur Busstation - und gehe ins Restaurant Sonne zum Essen, wo ich einen Schwarzen am Tisch spontan begrüsse. Ich setze mich zu ihm und wir lernen uns kennen: Eduardo Nascimento. Er ist seit 15 Jahren in der Schweiz, war mit einer Schweizerin verheiratet, Tochter Simone ist 12. Er lebt von Kursen, Konzerten, von einzelnen Workshops in Schulen und Institutionen. Nun will er einen eigenen Kursaum. Er wurde fündig an der Holzstrasse 11b. In einer Woche wird er da wohnen und den Kursraum ausbauen. Dann holt er aus seinem Rucksack ein kleines Instrument, spielt es und singt improvisierend dazu. Schön, solche Leute so spontan kennen zu lernen. Ich hoffe, mit Eduardo noch zu tun zu haben!

Donnerstag, 17. April 2008

Ekstase auf einem Ton

Wie ich erwache, ist es 13.30 Uhr. Ist das möglich, so lange zu schlafen? Ich habe den Besuch von Lena verschlafen? Dann realisiere ich, dass gestern um 1.30 Uhr meine Uhr stehen blieb. Es ist 8.30 Uhr! Ich habe Zeit, mein Editorial zu schreiben. Ich bin grad fertig damit, als Lena kommt.
Sie ist dran mit der Anleitung und fragt, ob ich einen Wunsch habe. Ja, ich will singen, so meine Antwort.
Wir gehen kurz in eine Meditation. Dann sollen wir je unsern Ton finden und diesen im Liegen lange singen zum Ausatmen. Ich meine relativ klar zu empfinden, welches mein Ton für den Moment ist. Auch sie findet ihren Ton, eine Quart verschoben. So singen wir vor uns hin, bis sie sagt, dass jeder versuchen soll, ganz in seinen Ton einzutauchen und darin eine Art Ekstase zu erleben, ganz in der Intensität dieses Tones wach zu werden.
Tatsächlich funktioniert diese Anweisung wunderbar. Ich singe meinen Ton und bin darin ganz konzentriert und eins. Auch sie in ihrem Ton ist ganz in ihrem Element. So verweilen wir in der Quartspannung, wichtiger sind aber die Tonfarben, Obertöne und Spannungen, die durch unsere beiden Töne entstehen, mal leicht verschoben wieder im Atemholen beginnend, teils miteinander anstimmend. Ich bin erstaunt, wie lange sich ein Ton aushalten und laut singen lässt auf einem einzigen Atem. Wenn man liegt, ist man entspannt und braucht wenig Atemluft.
Aus diesem kontinuierlichen Verweilen auf dem eigenen Ton entstehen ganze Klangwelten. Diese machen wir nicht bewusst, sie entstehen und tragen uns selbstvergessen in ganz intensive Laute, in Lautstärken, in Intensitäten und Reibungen. In diesen Phasen des gemeinsamen Tönens spüre ich eine grosse Verbundenheit mit Lena, ein übersinnliches Begegnen und Verschmelzen. Ich bin erstaunt, mit welch wenig Mitteln das möglich wird. Das Herz ist voll dabei, es ist eine gemeinsame Aktion, wir durchfluten uns gegenseitig in unserm je eigenen Ton. Das ist oder wäre auch sinnlich wahrnehmbar, ich meine auch für Hörer von Aussen. Doch nicht genug damit. Lena findet zu enormer Lautqualität und Lautstärke. Inzwischen hat sie auf der Schrutibox einen Basston für unsere Quart gefunden, zuerst mit der Quint dazu, doch später schaltet sie diese aus - zu Recht. Mit dieser Unterstützung der Schrutibox fahren wir fort, schon das Pumpen der Luft impliziert einen leichten Rhythmus. So kommen wir allmählich in rhythmische Moment mit unserm Ton und verlassen ihn auch mal in einzelnen Melodiebögen, ich verstärke akustisch den Rhythmus mit Sprachlauten. Dann gab es da einen Moment, oder eher eine lange Phase, in welche wir völlig im Einklang von Rhythmus und Wechselgesängen wogen, pulsieren, grooven - ich habe den Gedanken, dass man jetzt aufnehmen müsste. Sie hat später den Gedanken auch geäussert. Es wäre einfach interessant, im Nachhinein zu verfolgen, wie sich ein solcher Gesang aufbaut.
Noch versuchen wir allerlei Inventionen zu dem vorher erlebten, variieren die Grundstimmung, aber kommen dann zu einem Schluss. Stille, Schweigen. Wie ich auf unser Tun zu sprechen komme, erfahre ich, dass auch Lena ganz dabei war. Sie war mit ihrer Stimme so kräftig und intensiv, dass sie sich fragt, ob sie auf das Wochenende nicht heiser werden könnte. Ich glaube das nicht. Die Stimme muss das verarbeiten können. Es war ehrlich und getragen von inneren Erfahrungen.

 

Dienstag, 1. April 2008

Im Kirchenraum St.Mangen, St.Gallen

Lena und ich haben beschlossen, in den nächsten Wochen verschiedene Räumlichkeiten und Lokalitäten auszuprobieren - vor allem in Bezug auf die Akustik. Ich hatte versucht, den Kunstraum von Josephsohn beim Sitterwerk zu kriegen, aber Jac Erlanger (Tel 071 278 87 09), der für den Raum zuständig ist, will sich nicht darauf einlassen. Er schlägt vor, in der Bibliothek zu improvisieren. Da bin ich skeptisch. Ich telefoniere mit Andrea Spirig, die Sekretärin von St.Gallen C, um einen Schlüssel für St.Mangen zu erhalten. Den kriegen wir und werden in die Kirche geführt. Noch ist da die Putzfrau, aber sie geht. Lena und ich sind erstmals frei, in einem grossen Raum zu improvisieren. Ich habe die Schrutibox und ein Tamburin mitgenommen. Mit der Schrutibox beginne ich: Lena singt dazu, aber bald merken wir, dass in diesem Raum kein Instrument nötig ist, dass die Stimme allein genügt. Ich beendige die Quint a-e und wir gehen weiter nur mit der Stimme, vor allem mit lauten Klängen, welche den Raum füllen, mit dem Raum schwingen. Für etwa 20 Minuten singen für vor uns hin, einander ergänzend, im Wechselgesang. Dabei finde ich verschiedene Improvisationsmuster für eine grössere Gruppe: Jemand läuft mit dem Tamburin im Takt und findet einen Bogen. Eine Zweite sucht dazu eine Begleitmelodie usw. Dann kann zu dem Boden jemand frei improvisieren.
Dann sind da die starken Töne, die je nach Ort die ganze Kirche zum schwingen bringen. Ich schlage vor, dass jemand diese Töne bringt, der andere kann dazu improvisieren. St.Mangen hat eine phänomenale Akustik. Der Ton wird nicht verschlagen und zu sehr verstärkt. Er klingt nach in der Halle, aber nimmt sich bescheiden zurück. Anders als die Neubarocke Kirche in Stein (AR), wo ich schon öfters war und wir in zwei Wochen hingehen könnten.

 

Donnerstag, 28.2.2008

Wenn Steine singen

steine

Lena hat Steine aus der Thur mitgebracht. Wir könnten versuchen, so ihr Vorschlag, mit Ihnen Geräusche zu erzeugen und ihrem Klang folgend zu singen. Ich sitze zuerst etwas ungläubig da, folge aber dem Vorschlag.
Nach unserer Entspannungsübung sitzen wir und nehmen je einige Steine zur Hand, lassen sie auf den Boden fallen, stossen sie dort herum - wie Kinder spielend, die zum ersten Mal diese Dinger in die Hand kriegen. Ich beginne dann, einzelne Steine aneinander zu schlagen, zart, dann heftiger. Bei jeder Grösse tönt es anders, runde Steine wiederum singen offener und reifer als flache Steine, die oftmals fast tschäppern.

 

Es ergeben sich Rhythmen und mit der Zeit Laute, die von den Klängen der Steine inspiriert sind, sei es, dass die Stimmen sich daran anlehnen oder herausgefordert werden zu antworten. Konsonanten und Rhythmen spielen in der Stimme eine wichtige Rolle, auch die Lautstärken.
Es ist spannend zu beobachten, wie Improvisationen zu eigentlichen Stücken werden können mit verschiedenen Phasen und einem klaren Schluss. Lena kam etwas früher, wie haben viel Zeit und nutzen sie auch. Ich staune auch darüber, wie mit so wenig Mitteln ein erheiterndes, belebendes und sinnstiftendes gemeinsames Tun möglich ist - wenn man sich nur ganze darauf einlässt und vertrauen hat in die Situation, die Anlage, die Umstände. Wie so oft hat unser Stück eigentliche Höhepunkte, wo es einfach floss, einfach stimmte: Ganz zarte, langsame und leise Ekstasen, auch kräftige und heftige.
Ich machte den Vorschlag, dass wir ähnliches auch mal mit verschiedenen Metallen versuchen. (5.3.08)

Donnerstag, 14.2.2008

Wenn das Laub zu erzählen beginnt

Die Sonne scheint, blauer Himmel. Lena bevorzugt ein Singen draussen. Ich packe einige Instrumente ein und wir ziehen los. In einer sonnigen Lichtung im Wald setzen wir uns auf den Boden und beginnen mit blossen Geräuschen vom Laub. Damit produziert Lena einen Rhythmus und singe dazu leise einfache Muster. Wir sind ganz auf Hören eingestellt – weil die Geräusche vom Laub und von Stecklein so zart sind. Das fördert die Sensibilität füreinander. Ich bin einmal mehr fasziniert von dieser «Minimalmusik», den subtilen Ekstasen ohne grosses Tamtam. Entsprechend den Geräuschen vom Laub wird auch der Gesang in eine konsonantische Richtung gezogen - da sind soviele kleine Spielereien möglich.

Reisen um den Ruhepunkt eines Phantasiemantras

Später greife ich zur Schrutibox und binde die Glöcklein an die Füsse. Wir müssen uns nach dem langen Sitzen auch bewegen. Zum Grundton der Schrutibox auf A und E, einer Quint, schreiten wir rhythmisch zwischen den hell erleuchteten Tannen. Ich singe dann lange zu dem Ton, verweile bei einzelnen Einfällen, bis sich ein «Phantasiemantra» ergibt, lautmalerisch, melodisch und im festen Mass. Dieses gefällt mir so gut, dass ich es sicher 30 mal singe, immer wiederholt. Mit der Zeit steht es so sicher im Raum, in der Luft, in meinem Körper, im Umkreis - ich weiss nicht genau wo. Doch es ist da und kann nicht mehr so leicht vergessen und verloren gehen. Das erlaubt mir, diesen gefundenen Bogen immer mal wieder zu verlassen und ihn zu variieren, ihn auszuschmücken, von ihm abzuweichen … und heimzukehren zu dem sicheren Hort, dem Mantra, das so lange erklungen ist. Dieses Schema entdecke ich als wunderbare Improvisationsmöglichkeit für Einzelne: Singen und Suchen, bis man die feste, für den Moment stimmige Erfindung hat, diese verankern und dann davon ausgehend die Erfindung variieren, auch in Kontrasten und grossen Abweichungen. Diese Zwischenimprovisationen sind dan eigentliche Überraschungsreisen. Mit jedem Mal werden andere Sphären erreicht und geahnt, Muster ausgetestet oder Eingebungen empfangen.
Ich danke Lena, dass Sie mir diese Erfahrung ermöglicht hat. Denn allein hätte ich kaum den Mut, zwischen den Bäumen am Weg zu Peter und Paul so zu singen. Man würde glaub die Polizei oder die Psychiatrie anrufen, sagte ich.

 

Donnerstag. 7.2.2008

Reisen mit der «Ozean-Trommel»

Ich stell Lena mein neues Instrument vor: die Ozean-Trommel, eine Trommel, die im Innern kleine Matellkügelchen hat, die über die gespannte Trommelhaut rollen. Damit lässt sich das Rauschen von Wellen am Meer imitieren.
Dazu hatte ich mir eine Meditation ausgedacht – stehen am Meer in Demut und Dankbarkeit. Doch wie wir liegend in die Meditation gehen, entdecke ich das Bild vom Schiff. Unser Körper ist ein Schiff, ein Gefährt mit tiefem Bug; und unser Lichtkörper, die grosse Stille, hat darin Wohnung, geläutert im Atmen durch den ganzen Körper. Das Bild entfalte ich langsam und organisch, wie es in mir entsteht. Und das Wohlgefühl, diese Beheimatung, das Dasein im Körper, wird Dankbarkeit, wird zur Demut, zur Freude. Der Atem klingt.
Ich sitze auf und lasse mit der Ozean-Trommel das Meer rauschen – es erzählt von den Tiefen des Seins, des Lebens. Der Boden, der uns durch das Leben trägt, hat im rauschenden Meer sein Symbol, seinen sinnreichen Archetyp.
Irgendwann hört Lena auf zu singen. Sie will den reinen Klang der Ozean-Trommel vernehmen. Er habe eine ungeheuer beruhigende und wohltuende Wirkung.
Später soll sie ihren Ton finden. Es ist das A. Wir singen mit unsern Instrumenten, aber am interessantesten ist es wieder da, wo wir nur mit Lauten und Klang wie in einem Leib in Zwiesprache kommen. … da werden wir immer stiller - wir sind aufgehoben im Urklang der «grossen Stille».


Donnerstag. 24.1.2008

Inspirator «Rhythmus»

Wieder leitet Lena das Singen an. Die Vorbereitung machen wir liegend. Die Entspannung und Läuterung bringt mich in ein anderes Körpergefühl, in ein eine erweiterte Geistesgegenwart, die weniger in Gedanken als vielmehr im Körperbewusstsein seine Mitte und Fülle hat. Auf die Frage, mit welchem Instrument ich singen will, ist es für mich klar: mit der Stimme von Lena.
Damit beginnen wir, später greife ich selber zu einem Tamburin, übergebe es ihr und greife zur Schrutibox und spiele später dazu das A auf dem tiefen Xylophon. Sie tauscht das Tamburin aus gegen die ägyptische Trommel. Damit haben wir ein volles Instrumentarium, mit dem «die Post ab geht» – eine rhythmische Zwiesprache, in der alle Zeit vergessen geht, die genossen wird und niemand unterbrechen will. Lena liebt diese subtile Trommel, die so viele Anschlagarten und zarte Zwischentöne erlaubt. Sie experimentiert, sucht und kommt richtig in Fahrt. Es wogt und pulsiert. Den Rhythmus erlebe ich als eigene Qualität, als eigene Sprache, welche die Kommunikation fördert, anstachelt und sogar meine Harmonien und Bögen im Singen prägt. Ich darf frei Improvisieren und habe den Mut zu allerlei Experimenten im Gesang. Denn ein solcher Boden mit einer Quint in der Harmonie (Schrutibox), einem Bass (dem Xylophonton) und einem Rhythmus (die ägypth. Trommel) erlaubt in seiner klaren Tonart allerlei Improvisationen.
1. So singe ich plötzlich das Volkslied « Gang rüef de Brune, gang rüef de Gääle …». Das passt in den Rhythmus. Beim Jodel erlauben wir uns eine Phase der Improvisation in den Harmonien. Wir singen beide frei als vollen Stücken.
2. Im Weiteren imitiere ich ein chinesisches Singtheater, wo ein Erzähler im Sington erzählt, dann aber in extremem Lautmalen irgendwelche Gestalten charakterisiert. Bei mir sind es eine Ente und ein Löwe, welche sich über ihre Ernährungsgewohnheiten unterhalten. Das kam mir einfach so in den Sinn, weil ich kürzlich über die Möglichkeit von Enten nachdachte, die meine Schnecken im Garten essen.
3. Und dann finde ich eine lautmalerische Melodie, die ich stets wiederhole, dann aber unterbreche und im Laut «Mama» in lange anhaltende Töne in ekstatische Improvisation führe, um wieder auf dieselbe Melodie, denselben Bogen zurückkomme, der den Boden gibt, die sichere Basis. Da verweile ich, bis ich wieder zu den lange anhaltenden Tönen auf Mama gehe. Das ergibt ein richtiges Lied, eine Urmöglichkeit zur archaischen Improvisation. Zwischendrin habe ich das Tonbandgerät geholt und angeschaltet. Zwei, drei Zyklen haben wir aufgenommen. Denn ich weiss, wie schnell solche Erfindungen vergessen gehen, die aus einer gründlichen Vorbereitung möglich werden. Ev. werde ich da Tondokument später hier zugänglich machen, auch wenn die Qualität schlecht sein wird.

 

Donnerstag. 3. 1.2008

Das Erlebnis des einen Tons

Lena führt das Singen an: Die Entspannung liegend, die Lichtkraft in alle Teile des Körpers leiten, Wurzeln zur Erde spüren … neu bringt sie die Reinigung der Sinne. Alles, was durch die Nase, die Augen, die Ohren, ... in mich kam, wird geläutert. Bei mir nistet sich die Katze Tigi in den Armen ein, Hund Tara schwänzelt freudig.

singen_mit_Lene

Lena spielt dann das Harmonium und sucht nach Borduntönen. Sie erwischt drei Töne b, c und f, die auch eine gewisse Spannung ergeben. Aber nicht immer tönen alle drei, je nach Intensität der Bedienung des Blasebalgs. Ohne Erläuterung und Aufgaben beginnen wir mit den Tönen zu singen.
Da Lena melodische Elemente bringt, versuche ich durch tiefere Töne zusätzlich Boden zu geben. Doch mit der Zeit kann ich ihre Muster mitempfinden und mit ihnen in einen spielerischen Dialog eintreten. Einmal stelle ich meine Kamera mit dem Selbstauslöser auf, damit ich auch hier ein Bild zeigen kann.

So wechseln sich verschiedene Phasen ab, doch stets haben wir das Gefühl, dass es noch weiter geht, dass noch weitere Höhepunkte kommen können. Diesen Höhepunkt finden wir gleichzeitig, wie sich später im Gespräch rausstellt, und zwar da, wo wie beide einen Ton gemeinsam singen, ihn ganz lange halten und er mit unserm Bordun zusammen das ganze Zimmer anfüllt. Das war ein meditativer Zustand, ein Verweilen in einem vollen Klang, in einer Fülle, die nicht nur äusserlich hörbar wurde, sondern auch die ganze Seele, ja den ganzen Menschen, die volle Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hat. Da stand die Welt still, alles war in einem Klang da. Ich hatte die Augen offen, die volle Lautstärke kam ohne Anstrengung, wir waren wie in einem Fluss dieses Tones. Später stellten wir fest, dass es das f war, die Quart zum c, die in diesem Moment das Eine und Alles war.
Später, wie ich Lena auf den Buss brachte, habe ich dazu meine Überlegungen angestellt. Ich fragte mich, ob man auch ohne Vorbereitung zu diesem Erleben eines Tones finden könne. Doch mir war klar, dass die ganzen Vorbereitungen, die Atemübungen, die Präsenz im ganzen Leib und das Singen vorher dazu hingeführt haben. Trotzdem sollte es möglich sein, mit weniger Vorbereitung da hin zu kommen. Man sollte in dem Erlebnis einen Anker setzen, sodass man sich jederzeit wieder dahin ziehen kann. Genau so etwas sollte auch möglich sein, denn es bleibt eine starke Erinnerung von dem Zustand, ein Gefühl für diese Möglichkeit. An dieses bleibende Gefühl, das sich eingeprägt hat, lässt sich andocken.
Ich erzählte von Ramakrishna, von dem man sagte, dass er ohne Vorbereitung in den Zusand von Samadhi gelangen konnte. Er musste sich nur hinsetzen, und gleich war er da. Dazu ist aber zu sagen, dass dieser Zustand auch Geschenkcharakter hat. Er lässt sich nicht herbeizwingen. Hingegen habe die seelische Lauterkeit, die Lebensführung, die Moralität darauf wohl einen Einfluss. Die «reine» Seele kann an diese reinen Gnadenmoment leichter anknüpfen als jene, die sich in Lasten und Anhaftungen beschwert.

 


Do. 22.11.2007

Aus dem OM zu einem Ton finden

Mit Lena mache ich heute eine buddhistische OM-Meditation. Körper – Atem – Geist sind eins. Aus dieser Einheitserfahrung, zuerst liegend, dann sitzend, entfalten wir das OM, einen Ton im Atem. Sie soll den Ton angeben. Diesen singen wir lange. Erstaunlicherweise war es das A, mit dem wir schon früher gesungen haben (- das ist die Grundeinstellung seit längerem auf meiner Schruti-Box, diesem kleinen Harmonium, das ich über Franziska besorgt habe.)
Lena macht dazu elementare Figuren, ich gebe den Boden … so singen wir. Teils höre ich mit der Schruti-Box auf, sodass wir acapella singen - und wieder stimmt das A, wie nach längerer Zeit das Instrument wieder dazu kommt. Darüber sind wir erstaunt. Scheinbar hat sich der Ton in unsere Seele oder in den Raum oder in die Situation eingenistet, oder unsere Seelen haben in ihm eine Heimat gefunden.

 

Do. 15.11.2007:

Singkulturen imitieren

Meine Tagebuchnotiz: «Lena kommt, wir singen kurz, aber in tiefer Erfüllung, mit allen Instrumenten, exotisch.
Sie will mit Leuten anderer Singkulturen deren Stil einüben.»

Sie ist zeitlich unter Druck. Wir geben uns darum nur 40 Minuten. Sie leitet eine Meditation an, eine Entspannung und Vorbereitung zum Singen: Den Atem mitempfinden, die Körperpräsenz. Schon im Liegen beginnen wir zu singen, angeleitet von Bildern ….
Wir finden in einen entspannenden, oganischen Gesang, er dauert an, viele exotische Elemente kommen darin vor, sodass Lena danach meint, dass wir dies richtig lernen müssten von Leuten vor Ort. Solche Singwochenende müssten wir mit organisieren helfen.


Do. 1.11.2007

«Einander Besingen»

Lena führt durch das Singtreffen. Wir beginnen im Licht der späten Sonne mit einer Entspannung, liegend, den Atem bewusst durch den Körper führend. Wurzeln zur Erde, Verbindung zum Himmel. Weggeben und wegatmen, was belastet, zu sich kommen, nach Hause, da wo unser Ort ist, unser eigenes Sein in seinen Bezügen.

Aus ihrem Buch von Bössinger hat sie zwei Übungen vorbereitet. Die erste Übung hält lange an. Sie erklärt diese etwa mit folgenden Worten: «Ich werde nun für Dich singen. Du kannst dazu liegen, sitzen oder stehen. Ich singe für Dich die Weisheit des Moments. Du sollst hören, empfinden, miterleben, innerlich reagieren, ev. auch äusserlich mitgehen mit Bewegung oder Gesang. Schaue was der Gesang mit dir macht».
Ich wünsche stehende Position. Die Sonne wird schon rötlich. Doch wir schliessen beide die Augen. Zuerst höre ich ihren Gesang vor allem äusserlich. Er ist nicht einfach schön, sondern elementar, sie lotet das akustische Feld der Stimme aus. Wie sie dann in ihrer Fantasiesprache singend wie heilige Verse rezitiert, da geht eine innere Vibration durch meinen Körper, ich bin sofort innerlich davon eingenommen und merke einen Hang zur Entrückung, der mich völlig überrascht, den ich aber auch geniesse.
Irgendwann, wie sie hohe, eher schrille Töne stets wiederholt, reagiere ich mit einem tiefen Ton, gebe dazu einen Boden. So beginnt das gemeinsame Singen. Es kommt eine Selbstvergessenheit auf, eine Spielfreude, wie Kinder sie haben mit drei Jahren. Ich sehe die Sonne rot hinter dem Horizont verschwinden, mache sie aber nicht darauf aufmerksam. Wir sind so im Element des fliessenden Gesangs. Ohne Absprache gibt einmal sie, einmal ich den Ton an zur Begleitung oder zum solistischen Gesang. Immer wieder bietet sie rhythmisch verspielte Muster, wie Vogelgesang, auf den ich im Puls der Töne antworte und meine Bögen schlage.  Da gibt es einige musikalische Höhepunkte, die ich ganz wach und bewusst wahrnehme und der Situation verdanke, auch ihr, die sich heute für dieses Singen gemeldet hat. Ich denke dabei an allerlei Möglichkeiten, ohne dass mich diese Gedanken im Singen gestört hätten: dass jetzt eine Aufnahme spannend wäre, aber der Situation nicht einträglich, dass wir jeder Zeit so singen können, aber auch nach bestimmten Mustern klare Themen einüben könnten … diese Gedanken lagen im Sinn der Sache, störten nicht und förderten eher das gemeinsame Tun, das ich wie aus einer gemeinsamen Wolke heraus entstehend erlebte. Gegen Ende wurden wir sehr rhythmisch, einmal auch sehr laut, dass ich innerlich Zensur übte: man hätte uns hören können. Wir kamen zu einem Ende. Sie hat es vorher schon gesagt, dass es gut wäre, über die inneren Erfahrungen zu sprechen. Zuerst aber verweilen wir in der Stille, wie wir es bei Franziska gelernt haben. Diese Stille nach einem solchen Gesang ist das Köstlichste, das nach besten Gewürzen und Essenzen richt, ja bis in den Magen und in die Beine hinein eine stille Fülle schenkt.
Dann erzähle ich ihr von meinem Weg, wie ich es eben schreibend getan habe. Und ich erinnere mich, dass auch Franziska zwei Mal für mich gesungen hat. Ich hatte da zu ihr gesagt, dass sie ja eine richtige Schamanin sei. Ich hörte damals die verstorbene Stieftochter Barbara zu mir reden und weinte. Ich lobte Lena für ihren Mut, für die Idee, für mich zu singen, mich mit ihrem Gesang zu verzaubern. Und sagte: Es gibt Leute, die können uns heilsam massieren, andere die Hände auflegen, andere gut zureden oder Pillen verteilen. Aber man kann auch Singen für den Andern, für die Situation, für ein Problem, für etwas zu Feierndes. Das sei die alte schamanistische Heilkunst, auch der magische Kern jeder Liturgie und religiösen Zeremonie.

Zu einem Mantra improvisieren

Die zweite Übung war ein mongolisches Mantra, das sie auf dem indischen Harmonium spielt. Es beginnt mit OM, geht über Tara und noch zwei Gottheiten zu So Ham = So sei es. Bald kann ich die Worte und wir singen es für etwa 10 Minuten, begleiten auf einem Akkord des Harmoniums. Sie bringt dazu eine zweite Stimmen ein, ich halte den Melodiebogen. So sehr es sich da um ein Experiment gehandelt hat, so war es für mich doch spannend, zu sehen, was aus einem solchen fixen Bogen zu machen ist. Da Begonnene läst sich weiter ausbauen. Am Schluss  wurden wir immer ruhiger, konzentrierte, einstimmiger, leiser, konsonantischer ... bis das Mantra ganz in die Stille überging und einfach im Raum stand. Wieder das Schweigen, das so tief nähren kann.

 

29. März 2007

Wenig braucht es, um singend sich weit und offen zu machen und die Freude am Sein in Rhythmus und Gesang zu erfahren. Wenig Äusserliches, hingegen einen inneren Weg, eine Einstimmung. Letztere ist ganz wichtig. Sie führt zum Vertrauen, zur Gelassenheit, zum Selbsterlebnis.

Lena leitet die Stunde

Die Auflagefläche spüren.
Den Atem in die verschiedenen Teil des Leibes führen, von oben herab bis zu den Füssen.
Alles Störende geht damit raus.

Beckenboden entspannt, die Zunge unter dem Gaumen entspannt.

Wie klingen die Teile des Leibes im Ausatmen: der Kopf, die Schultern ... so hinunter bis zu den Füssen.

Dieses Klingen gibt ein Farbbild der Auflagefläche, die zu spüren ist. Wir gehen über den Leib, schauen von oben herab und sehen die Farben.

Langsam aufsitzen:
Ich darf mein Lied des heutigen Tages singen, sie gibt Resonanz, fördert, begleitet mich, lässt sich inspirieren. Daraus entsteht ein Zwiegespräch, eine gemeinsame Musik. Ich singe, sie gibt Hintergrund, kommt mal mehr, geht wieder zurück. Bis sie auf ihrem Körper Rhythmen schlägt, und auf dem Boden. Das inspiriert mich tief.
Wir durchwandern ganz zarte Phasen, dann sind wir in einem richtigen Zustand der gemeinsamen Produktion. Ich geniesse den Zustand. Singe zu ihren Rhythmen, es ist, als wären wir in einer Kugel gemeinsamen Lebens und Singens. Die Zeit steht still. Es ist reine Freude und Intensität.

Ich begleite Lena zum Bus. Wir reden über unsere Stunde. Ohne ein Instrument, nur mit den Mitteln unseres Leibes und der Stimme haben wir uns tief eingestimmt in das Sein, das aus uns erklingen kann.